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Ein Baby ahmt die Gesten der Mutter nach

In den ersten Lebenswochen wenden sich ein Neugeborenes und seine Bezugsperson einander sehr intensiv zu. Sie haben häufig Blickkontakt, lächeln einander an und ahmen gegenseitig ihre Gesten nach. Matthew B. Crawford fügt hinzu: „Etwa im Alter von sechs Monaten beginnt der Säugling, seine Aufmerksamkeit über die Bezugsperson hinaus zu erweitern und auf dieselben Gegenstände wie diese Person zu richten, indem er ihrem Blick folgt.“ Bald darauf beginnt das Baby, den Blick seiner Bezugsperson „zu prüfen“, wenn seine anfängliche Blickverfolgung nicht zu einem Gegenstand führt, der hinreichend beachtenswert erscheint. Die Fähigkeit zu „gemeinsamer Aufmerksamkeit“, die sich im Alter von etwa zwölf Monaten entwickelt, beinhaltet ein zusätzliches Element. In diesem Stadium, erklärt der amerikanische Philosoph Christopher Mole, „besitzt das Kind die Fähigkeit und Bereitschaft, zusammen mit seiner Mutter die Aufmerksamkeit einem dritten Gegenstand zuzuwenden.“ Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

Es gibt drei Typen von Gesten

Christopher Mole fährt fort: „Dabei sind sich beide der Tatsache bewusst, dass sie ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf dieses Objekt richten.“ Dieses Stadium scheint mit dem erwachenden Verständnis des Kindes zusammenzufallen. Es erkennt, dass die Äußerungen seiner Bezugsperson nicht bloß Geräusche sind, sondern sich auf Gegenstände in der Welt beziehen. Folglich ist die gemeinsame Aufmerksamkeit aufs Engste mit der Fähigkeit zu Kommunikation verbunden. Diese verlangt, dass man sich nicht nur der Existenz eines anderen Verstands bewusst ist, sondern auch wechselseitig ein gemeinsames Bezugsfeld wahrnimmt: die gemeinsame Welt.

In der gleichen Entwicklungsphase, so heißt es, etwa im zwölften Lebensmonat, nehmen die Zeigegesten des Kindes einen intentionalen Charakter an. Dabei lassen sich zwei Typen von Gesten unterscheiden: imperatives (aufforderndes) Zeigen, mit dem das Kind einen bestimmten Gegenstand für sich verlangt, und deklaratives (feststellendes) Zeigen, mit dem das Kind einen Erwachsenen dazu bringen will, seine eigene Aufmerksamkeit einem Gegenstand zuzuwenden. Das deklarative Zeigen beinhaltet die Aufforderung „Achte auf das, worauf ich achte“.

Ohne gemeinsames Wissen kooperieren Menschen nicht

Matthew B. Crawford erklärt: „Dies ist eine entwicklungspsychologische Erklärung der sozialen Reflexivität. Dieser liegt unserer Fähigkeit zugrunde, über die Welt zu kommunizieren, und dies scheint ein charakteristisches Merkmal des Menschen zu sein.“ Die britische Philosophin Jane Heal schreibt: „Wörter sind eine äußerst subtile und nützliche Art des Zeigens. Das Zeigen selbst ist eine ausgeklügelte Methode, den gemeinsamen Blick auszurichten. Und dieser Vorgang entspringt dem Bewusstsein, gemeinsam zu leben.“

Die Tatsache, dass die Menschen in einer gemeinsamen Welt leben und gemeinsam handeln, ist von grundlegender Bedeutung für die menschliche Natur. Der Philosoph Axel Seemann erläutert dazu: „Das wachsende Interesse an der gemeinsamen Aufmerksamkeit bezeugt einen Wechsel von einer solipsistischen Konzeption der menschlichen Psyche hin zu einer grundlegend sozialen Sicht geistiger Phänomene.“ In der entwicklungspsychologischen Perspektive verliert die Frage an Bedeutung, wie gemeinsames Wissen entsteht, ohne das Menschen nicht kooperieren können. Quelle: „Die Wiedergewinnung des Wirklichen“ von Matthew B. Crawford

Von Hans Klumbies

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